Autor Andreas Weber (li.)
und Marc Steinmetz im
Institut für Plastination

   
>> RANDNOTIZEN „PLASTINATION“
   
         

Läßt eine Reportage über das Zerstückeln
von Leichen einen Fotografen kalt? Ich zähle
mich nicht unbedingt zu den abgebrühtesten
Zeitgenossen, und so ist „Plastination“ bis
heute das wohl abgründigste Thema, an dem
ich gearbeitet habe. Und sicher eines der
interessantesten.
     Die Idee dazu war mir nach einer Radio-
Reportage über diese neue Technik der
Gewebekonservierung gekommen, lange bevor
sich ihr Erfinder Gunther von Hagens mit
seiner Körperwelten-Ausstellung bereitwillig
durch die Medien zerren ließ. Er und seine
Frau, die mit ihm zusammenarbeitet, hatten
zu Anfang sogar ernste Vorbehalte gegen
eine Veröffentlichung und gegen mich als
Fotografen, und es bedurfte einiges an
Argumentation von meiner Seite, bis sie ihr
OK gaben und mir Zutritt gewährten.

 

Im Auftrag von „Focus“ fotografierte ich
zunächst sechs Tage lang im Institut für
Plastination, wie dutzende von menschlichen
Körpern präpariert, zersägt, imprägniert, fixiert
und plastiniert wurden. Später folgten weitere
vier Tage in der Körperwelten-Ausstellung
in Mannheim, die von Hagens’ Präparate zum
ersten Mal einem breiten Publikum in
Deutschland präsentierte.
     Textautor war Andreas Weber, ein guter
Freund von mir. Es tat gut, ihn in der Nähe
zu haben, denn die Eindrücke der ersten Tage
im Institut für Plastination wühlten uns beide
heftig auf. Unsere abendlichen Gespräche
waren unverzichtbar für die Seelenhygiene
und halfen uns bei der Aufarbeitung der
Ungeheuerlichkeiten, die wir tagsüber im
Institut gesehen hatten. Letztendlich siegten
aber die Faszination über das Grauen und die
Neugier auf das Niegesehene über den Ekel.

 

Ich werde häufig gefragt, was für ein Mensch
Gunther von Hagens sei. Was mich an
ihm beeindruckte, war seine Fähigkeit zur
absoluten Konzentration auf eine Sache,
seine Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin.
Ging etwas schief oder erwies sich als nicht
machbar, tobte er nicht etwa, sondern
blendete blitzschnell seinen Ärger aus und
suchte nach einer Alternative. Eine Äußerung
des Hobby-Geigers hat sich mir besonders
eingeprägt: „Ich höre gerne Musik, aber ich
MÖCHTE nicht gerne Musik hören, weil sie
mich am Denken hindert.“
      Die Grenze zwischen solcher Hingabe
und dem Fanatismus ist schmal. Ich möchte
mir kein Urteil darüber anmaßen, auf welcher
Seite sich von Hagens bewegt.